Eine einzelne, schwer verletzte Person zu versorgen, ist schon in einem zivilen Umfeld eine Herausforderung. Bei Terroranschlägen, militärischen Konflikten oder Katastrophen erschwert die große Anzahl verletzter Personen die Versorgungslage zusätzlich. Doch die Erstversorgung ist oft entscheidend für das Überleben der Verletzten, die meist nicht an ihren Verletzungen sterben, sondern schlichtweg verbluten. Im Forschungsprojekt TraumaCare hat das Fraunhofer ISC gemeinsam mit dem Bundeswehrkrankenhaus Ulm eine Lösung entwickelt, die es Ersthelfern ermöglicht, stark blutende Wunden zu versorgen, bis eine professionelle medizinische Versorgung möglich ist.
Bei einer kriegerischen Auseinandersetzung, in Krisensituationen wie bei terroristischen Anschlägen, aber auch nach Unfällen oder bei Katastrophen ist schnelle und effektive Erste Hilfe aufgrund der großen Anzahl an Verletzten oft eine große Herausforderung. Insbesondere stark blutende Wunden stellen eine akute Gefahr für das Überleben der Betroffenen dar. Häufig versterben Opfer aufgrund unkontrollierbarer Blutungen noch vor Ort, bevor sie in einer Klinik versorgt werden können. Um diese lebensbedrohlichen Situationen besser bewältigen zu können, wurde das Forschungsprojekt TraumaCare ins Leben gerufen. Das Projekt widmet sich der Entwicklung einer Wundpaste, die von Ersthelfern leicht appliziert werden kann, um Blutungen zu stoppen und die Wunde bis zur professionellen chirurgischen Versorgung in einer Klinik zu verschließen. Dort kann die Paste im Ganzen und ohne Gewebsschädigung wieder entfernt werden.
Derzeitige Methoden zur Erstversorgung von stark blutenden Wunden umfassen unter anderem mechanische Ligaturen, hämostypische, d. h. blutstillende Verbände und Gewebe-Klebstoffe. Diese haben jedoch oft ihre Grenzen, beispielsweise in Bezug auf die Anwendbarkeit an bestimmten Körperregionen, oder bergen das Risiko zusätzlicher Gewebeschäden. TraumaCare verfolgt daher einen Ansatz, der diese Nachteile überwinden soll.
Das Konzept von TraumaCare basiert auf drei einzelnen Komponenten. Erstens kommt eine quellfähige Komponente zum Einsatz, die die gesamte Wundgeometrie ausfüllt und dem Blutdruck standhält. Zweitens sorgt eine Vernetzungskomponente dafür, dass das Gesamtmaterial in einem Zeitraum von etwa einer Minute zu einer stabilen Verschlussmasse aushärtet. Schließlich sorgen Fasern für eine höhere Festigkeit der ausgehärteten Wundpaste.
In einem Proof-of-Principle-Experiment wurde das entwickelte Material an einem kanülierten Schweinehinterbein getestet. Dabei wurde das Arteriensystem des Beins mit einer rot gefärbten phosphatgepufferten Salzlösung als Blutersatz durchspült. Nachdem das Forscherteam mit einem Stichwerkzeug eine Verletzung erzeugt hatte, applizierten sie das 3-Komponentenmaterial. Nach einem kurzen, leichten Andrücken härtete die Paste schnell aus und der Wundverschluss erfolgte. Das Material konnte anschließend problemlos entfernt werden, ohne das intakte Arteriensystem zu beeinträchtigen.
Basierend auf diesen vielversprechenden Ergebnissen plant das TraumaCare-Team die Fortsetzung des Projekts in Form von TraumaCare II, das ab 2024 für weitere zwei Jahre laufen soll. In diesem nächsten Schritt wird ein Applikator entwickelt, der ein einfaches Handling und einen einfachen Transport des Materials ermöglicht. Zudem werden Standardarbeitsanweisungen (SOPs) zur Materialherstellung erstellt und geeignete Sterilisations-, Verpackungs- und Lagerungsmethoden identifiziert.
Ziel ist es, eine Zulassung als Medizinprodukt zu erhalten, um die Erstversorgungswundpaste in der Praxis einsetzen zu können.