LESS IS MORE

Ressourcen sparen durch nachhaltigere Materialien und Verfahren


Das globale wirtschaftliche Wachstum ist immer noch stark mit der Zunahme des Ressourcenverbrauchs gekoppelt. Wir haben nur einen Planeten Erde und graben uns auf diese Weise buchstäblich den Boden unter den Füßen ab. Deshalb müssen wir unsere Wirtschaft, unsere Produktion und unsere Wertschöpfung ändern. »Less is more« muss die neue Devise werden.

Das Fraunhofer ISC will und kann mit seiner Materialforschung und Verfahrensentwicklung seine Kunden und Entwicklungspartner in die Lage versetzen, ressourceneffizient zu arbeiten – d. h. mit weniger Ressourceneinsatz nachhaltige Produkte mit fairer Wertschöpfung herstellen – z. B. bei der effizienten Nutzung von Prozesswasser, bei der Galvanisierung, für halogenfreien Flammschutz oder auch durch neue Testverfahren, die Tierversuche ersetzen können.

 

Beispiele aus der aktuellen Forschung

»EVOBIO« – evolutionäre bioökonomische Prozesse

Integrative Nutzung von Stoffströmen zur Herstellung optimierter Materialien für innovative Produkte in bioökonomischen Prozesskreisläufen

Projekt EVOBIO
© Projekt EVOBIO

Weltweit führen Wertschöpfungs- und Produktionsprozesse zu schädlichen Emissionen und nicht verwertbaren Abfällen. Sie gehen oft mit einer nicht umkehrbaren Ausbeutung globaler
Ressourcen einher, haben eine unausgewogene Landnutzung und den zunehmenden Verlust der Biodiversität zur Folge. Dies hat negative Folgen für den Lebensraum und die Lebensqualität vieler Menschen. Die Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser und die Konkurrenz um essenzielle Rohstoffe in vielen Ländern der Welt, die Lebensmittel- und Produktkriminalität sowie qualitativ minderwertige Produkte sind Beispiele dafür. Neben der generellen Verknappung oder Verteuerung der benötigten Ressourcen sind, im bioökonomischen Sinn, häufig nicht-optimierte Prozesse und Wertschöpfungsketten die Ursache. Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie fasste einen möglichen Lösungsansatz folgendermaßen zusammen: »Eine konsequente Orientierung auf eine Kreislaufwirtschaft und Bioökonomie hilft, weniger Primärressourcen einsetzen zu müssen und damit unabhängiger von globalen Lieferketten und Rohstoffen, zum Beispiel Funktionsmetallen, zu werden«.

Projekt EVOBIO Geschäumtes Polystyrol
© Fraunhofer ISC
Gleichmäßige Porenstruktur eines induktiv geschäumten Polystyrols

Im Projekt »EVOBIO«, eigenfinanziert im Rahmen des Fraunhofer Innovationsprogramms, wurden Konzepte entwickelt und an ausgewählten Beispielen demonstriert, die den Übergang von einer unidirektionalen Wirkkette hin zu einer vollständig integrativen Nutzung von Stoffströmen, Materialien und Produkten in nachhaltigen, ressourcenschonenden bioökonomischen Prozesskreisläufen ermöglichen.
Neben der Betrachtung von Stoffströmen und innovativen Materialien lag der Fokus auch auf der kurzfristigen Entwicklung von Produktideen auf der Basis vorhandener Materialien. Hier kamen die spezifisch adaptierten Magnetpartikel (MagSilica®) des Fraunhofer ISC zu einer buchstäblich treibenden Rolle, nämlich bei der Herstellung von neuartigen bioinspirierten Gradientenschaumwerkstoffen über ein Induktionsverfahren. Das induktive Heizen ermöglicht eine schnelle und direkte Wärmeerzeugung im Bauteil und ist damit effizienter und genauer lokalisierbar als indirekte, von außen wirkende Heizverfahren. Lokal variierende gradierte Schaumstrukturen können – analog zu Knochen – bei gleicher Stabilität ein deutlich geringeres Gewicht als massives Material aufweisen. Durch die gut einstellbare Verteilung der MagSilica®-Partikel konnten die gewünschten Gradientenstrukturen in den Polymerschäumen über induktives Heizen eingestellt werden. Dabei lassen sich auch sehr geringe Dichten und offenporige Schaumstrukturen realisieren.

Darüber hinaus können MagSilica®-Partikel durch lokale induktive Erhitzung für das Verschweißen und eine spätere einfache, automatisierbare Auftrennung eingesetzt werden.
Damit wird eine kostengünstige und sortenreine Rückführung aller Materialien in den Wertstoffkreislauf erleichtert.

 

MagSilica®: eingetragene Marke von Evonik, die am Fraunhofer ISC exklusiv weiterentwickelt wird.

Effiziente Wasseraufbereitung

Innovative elektrochemische und adsorptive Abtrenntechnologien

EWA Effiziente Wasseraufbereitung
© Fraunhofer ISC

Viele industrielle Prozesse greifen auf die Ressource Wasser zurück – als Rohstoff für die Produktion ebenso wie als Transport-, Löse- oder Trennmittel. Um Wasser so ressourcensparend und nachhaltig wie möglich zu nutzen und Trinkwasser­reserven zu schonen, sind neue Lösungsansätze für eine effizientere Wassernutzung und Kreislaufführung notwendig.

Ressource Wasser mehrfach nutzen!

Im KMU-akut Projekt »Effiziente Wasseraufbereitung« – kurz EWA – bündeln eine Reihe von Fraunhofer-Instituten unter der Federführung von Fraunhofer ISC und IFAM ihre Expertise für die elektrochemische Prozesstechnik, die Partikeltechnologie und die Materialanalytik. Gemeinsam mit Industriepartnern arbeiten sie in vier Themenfeldern an einer effizienten Aufbereitung und Mehrfachnutzung der wichtigen Ressource Wasser.
Die klassische, kommerzielle Prozesswasseraufbereitung ist für viele kleine und mittlere Unternehmen entweder überdimensioniert, zu spezifisch, zu kostspielig oder einfach ungeeignet. Im Rahmen des Projekts EWA soll diese Lücke geschlossen und Lösungsansätze entwickelt werden, die durch ihre Flexibilität, Skalierbarkeit und einen vergleichsweise geringen Kostenaufwand die Bedürfnisse kleinerer und mittlerer Unternehmen erfüllen. Gemeinsam mit den drei weiteren Fraunhofer-Instituten IKTS, ISE und IGB sowie fünf Industriepartnern wurden exemplarisch Machbarkeitsstudien und Validierungsprojekten für die Themenbereiche Batterierecycling, Lithiumgewinnung, Alginit in Klärprozessen und Meerwasserentsalzung für die Leitmärkte Energiewirtschaft, Chemische Industrie, Gesundheitswirtschaft sowie
Anlagen- und Maschinenbau
durchgeführt.
Einen guten Überblick für die Arbeitsweise der EWA-Projektpartner vermittelt zum Beispiel das Teilprojekt zur effizienten und nachhaltigen Aufbereitung von Prozesswasser aus Lithium-Ionen-Batterie-Recyclinganlagen. Mit der steigenden Anzahl von Elektrofahrzeugen fallen in der Folge mehr verbrauchte Traktionsbatterien an. Wertvolle Batteriematerialien möglichst effizient zurückzugewinnen und Prozesswasser so zu reinigen, dass es im Kreislauf geführt werden kann, ist für das ISC das Ziel im EWA-Projekt.
Im Anschluss sollen die Materialien im Idealfall sortenrein vorliegen und können direkt wieder zu neuen Batterien verarbeitet werden. Ausgangspunkt für die Projektarbeit war das Verfahren der elektrohydraulischen Zerkleinerung EHZ – eine Entwicklung des Projektpartners Impulstec – womit die Batterien in einzelne Materialfraktionen zerlegt werden können. In dem wasserbasierten Prozess entstehen grobe und feine Materialfraktionen sowie Stoffe, die in Lösung gehen.
Projektpartner MAB Recycling ist Anwender der EHZ und war auf der Suche nach einem geeigneten Aufbereitungsverfahren, um wertvolle Batteriematerialien möglichst vollständig und getrennt abzuscheiden und das Prozesswasser von störenden Verunreinigungen zu befreien.
Der Recyclingspezialist lieferte als Rohmaterial das Prozesswasser und erhielt im Gegenzug Analysenergebnisse und wichtiges Know-how, um die eigene Wasseraufbereitung voranzubringen.

Weiterer Industriepartner im Projekt war die Firma CEPA, ein Hersteller von Industriezentrifugen. Das Unternehmen arbeitet schon seit geraumer Zeit gemeinsam mit Fraunhofer ISC an der Weiterentwicklung der Zentrifugentechnologie.
Im EWA-Projekt saßen die drei Unternehmen mit ihren spezifischen Fragestellungen gemeinsam mit dem Fraunhofer ISC am Tisch, um die Prozesswassermenge zu reduzieren, soweit wie möglich im Kreislauf zu führen und die möglichst sortenreine Materialauftrennung voranzubringen. Das Ergebnis sind verbesserte Prozesse, Wassereinsparung und weitere Ideen für gemeinsame Projekte über EWA hinaus.
 

Selektive Adsorption von Metallionen und Umweltschadstoffen

Hier werden magnetische Adsorberpartikel genutzt, um (Schwer-)Metallionen und Schadstoffe wie Medikamentenrückstände selektiv und effizient aus Prozess- und Abwässern zu entfernen.
Mit im Boot als Industriepartner ist die Terra Natural Resources GmbH. Magnet- und Silicatpartikel werden mit einem besonders effizienten und selektiven Adsorber für Umweltschadstoffe kombiniert – Alginit. Es handelt sich um ein spezielles, natürlich vorkommendes, recyclebares Mineral, das im Gegensatz zur derzeit verwendeten Aktivkohle kostengünstig ist und eine hohe Umweltverträglichkeit sowie sehr gute Abtrennleistung sowohl für hydrophile als auch hydrophobe Stoffe aufweist. Die geschickte Modifizierung von Alginit mit magnetischen Partikeln sorgt dabei für eine gleichbleibend effiziente Adsorptionsleistung und garantiert darüber hinaus eine rückstandsfreie Abtrennung der Absorberpartikel aus den behandelten Abwässern. Der kostengünstige und nachhaltige Prozess birgt großes Potenzial und stellt zukünftig eine valide Alternative zur Anwendung in Kläranlagen dar.

 

Webseite »ewa«

 

 

Aufgabenbereiche der effizienten Wasseraufbereitung BatterierecyclingLithium-GewinnungAlginit in KlärprozessenMeerwasserentsalzung
© Fraunhofer ISC / AdobeStock / K. Dobberke / unsplash

3D-Druck – mit weniger Material- und Energieeinsatz zum fertigen Produkt

Zweistufige Additive Fertigungsverfahren
© Fraunhofer HTL
Das gehärtete Bauteil wird von nicht bedrucktem Pulver befreit

Zukünftige Fertigungsprozesse werden digital gesteuert und laufen automatisiert ab. Darüber hinaus sollen sie ressourcenschonend und energieeffizient sein sowie möglichst vollständig recycelbare oder biologisch abbaubare Produkte hervorbringen. Additive Verfahren können in Kombination mit den richtigen Materialkonzepten eine gute Lösung dafür sein und haben deshalb in bestimmten Anwendungsbereichen großes Potenzial. Ein weiterer Vorteil additiver Verfahren ist die einfach und kostengünstig personalisierbare, individuelle Herstellung einzelner Komponenten und ganzer Systeme – Stichwort »Losgröße 1«. Dies gilt insbesondere für energieintensive Fertigungsprozesse wie in der Spezialkeramik oder von neuartigen Materialverbunden im Bereich des Hochtemperatur-Leichtbau, aber auch für die Verwendung biologischer Materialien und deren Systemintegration, gerade im Bereich der Medizintechnik und Medizinprodukteentwicklung. Beispielsweise für biofunktionalisierten Trägermaterialien oder individualisierte Implantate ist die Technik interessant. Aber auch die Herstellung von spezifischen (mikro-)elektronischen und (mikro-)optischen Bauteilen profilieren von der Variabilität der additiven Fertigungsverfahren.


Neben den Vorteilen in der Individualisierbarkeit spielt aber zunehmend auch die Ressourceneffizienz eine wichtige Rolle beim Einsatz additiver Verfahren. Die endformnahe Fertigung durch 3D-Druck ohne Materialverlust ist auch für die Serienfertigung komplexer Bauteile und Strukturen interessant, besonders dort, wo hochqualifizierte Materialien eingesetzt werden. Das Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC setzt eine Reihe von Verfahren in Kombination mit maßgeschneiderten Materialkonzepten für unterschiedlichste Anwendungsbereiche ein und entwickelt additive Techniken weiter. Gängige 3D-Druckverfahren bauen Werkstücke Schicht für Schicht auf. Je nach Material werden chemische (2K) oder physikalische (Temperatur, Licht) Initiierung eingesetzt. Üblicherweise werden 3D-Druckverfahren als Stand-Alone-Systeme genutzt. Für industrienahe Prozesse sind allerdings Konzepte zur Automatisierung von Prozessketten mit integriertem 3D-Druck erforderlich. Produktbezogen können sogar verschiedene 3D-Druckverfahren kombiniert werden, um optimal angepasste Materialkombinationen und Funktionen zu erreichen. Das Fraunhofer ISC arbeitet an der Systemintegration von unterschiedlichen 3D-Druck-Techniken in einem Gerät und entwickelt prozessbegleitende Mess- und Monitoringsysteme. Fragestellungen wie die automatisierte Materialzufuhr, Nachbearbeitung (3D-Politur), oder die Standardisierung von Schnittstellen stehen dabei im Fokus, um die Implementierung in bestehende Prozesse zu erleichtern.
 

Spezialkeramik/Metalle/Metall-Keramik-Verbunde

Das Fraunhofer-Zentrum für Hochtemperatur-Leichtbau HTL nutzt zweistufige additive Fertigungsverfahren für die Herstellung von Metallen, Keramiken und Multimaterial-Kompositen. Dabei ist der energiearme additive Fertigungsprozess zur Erstellung eines sogenannten Grünbauteils von der nachfolgenden, in der Regel zeit- und energieintensiven Ofenbehandlung zur Entbinderung und Sinterung oder Infiltration getrennt. Das hat den Vorteil, dass thermische Spannungen und Verzug, wie sie bei anderen 3D-Druckverfahren auftreten, vermieden werden können. Darüber hinaus macht der simultane Brand vieler Bauteile diese Verfahren wirtschaftlich sehr attraktiv. Neben Feedstocks und Druckparametern entwickelt das HTL Analyseverfahren für die Qualitätssicherung an Bauteilen im Grünzustand. Dies ermöglicht eine effiziente Optimierung entlang der ersten Hälfte der Prozesskette. Für das Design der anschließenden thermischen Prozesse ermittelt das HTL die für die Prozesskinetik kritischen Materialeigenschaften. Hierbei nutzt es u.a. die herkömmliche Thermoanalyse sowie die In-situ-Analytik in den eigenentwickelten Thermo-optischen Messanlagen (TOM). Die Messdaten werden anschließend in einer gekoppelten FE-Simulation genutzt, die thermische, mechanische, chemische und geometrische Aspekte zur Optimierung berücksichtigt. Dadurch können Werkstoff, Bauteildesign, Ofenraum und Thermoprozesse im Zusammenspiel simuliert werden. Dies bildet die Grundlage, a priori potentielle Defektquellen, Schwindung und Verzug bauteil- und werkstoffspezifisch vorherzusagen und die gesamte Prozesskette für eine sichere, wirtschaftliche und dennoch flexible Serienfertigung auszulegen.
 

Sensorik/Aktorik/optische Komponenten

Miniaturisierte sensorische und aktorische Elemente sollen sich auch via 3D-Druck im Fertigungsprozess integrieren lassen. Das Fraunhofer ISC entwickelt die zugehörigen neuen Materialkombinationen, die piezoelektrisch, thermisch, elektrostatisch, optisch, chemisch oder mechanisch responsiv geschaltet werden können. Die Herstellung optischer Bauteile erfordert besonders homogene, transparente und lichtstabile 3D-Formkörper, die frei von inneren Grenzflächen sind und eine sehr hohe Oberflächengüte aufweisen. Asphären und Gradienten-Index (GRIN) Optiken sind mit klassischen Verfahren nur aufwändig herzustellen. Der 3D-Druck bietet Optik-Designern die Möglichkeit, neue Komponenten als Freiformflächen fernab von üblichen sphärischen und rotationssymmetrischen Geometrien zu konzipieren und schnell zu testen.
 

Biomedizin/Medizinprodukte

Neben dem Einsatz für Dentalprodukte und individuelle Otoplastiken ist der Einsatz von additiven Fertigungsverfahren auch für die Biomedizin interessant. So bieten neue biodegradierbare und/oder 3D-druckbare Materialien Lösungen, z. B. für die Herstellung von Stützstrukturen (Scaffolds) oder Funktionselementen, die nur temporär benötigt und danach durch ihre physiologische Umgebung abgebaut werden. Der Wachstumsprozess und das Verhalten von Zellen und Mikroorganismen lassen sich mit biokompatiblen und bioaktiven Materialien gezielt beeinflussen (Stimulation, Nährstofffreisetzung, Unterstützung der Wundheilung). Die Kombination von 3D-Druckverfahren mit lebenden Zellen (Bioprinting) kann für biomedizinische und pharmakologische Fragestellungen völlig neue Möglichkeiten bieten. Hierfür werden gemeinsam mit Kooperationspartnern schonende Drucktechnologien weiterentwickelt.
 

Ressourcenschonendes Recycling/Sekundärrohstoffe

Für den 3D-Druckprozess werden hochspezialisierte Primärmaterialien mit genau definierten Eigenschaften benötigt, ein ressourcensparender Einsatz von Recyclaten oder Sekundärrohstoffen ist bisher nicht möglich. Das Fraunhofer ISC will mit seinem chemischen Synthese-Know-how dieses wertvolle Materialreservoir nutzbar machen. Produktionsabfälle oder recycelte Werkstoffe sollen so modifiziert werden, dass sie als Sekundärrohstoffe mit den für 3D-Druckverfahren benötigten Spezifikationen zur Verfügung stehen.

 

Weitere Informationen

Additive Fertigung am
Fraunhofer-Zentrum für Hochtemperatur-Leichtbau HTL

© Fraunhofer-Zentrum HTL

Datenschutz und Datenverarbeitung

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»digaP« – Beschichtungsverfahren spart kritische Ressourcen beim Galvanisieren

Das erste, das bei den meisten Produkten buchstäblich ins Auge fällt, ist die Oberfläche. Deshalb ist ihre Beschaffenheit enorm wichtig. Innovative Beschichtungen lassen Oberflächen nicht nur schön aussehen, sie schaffen vor allem mit wenig Materialeinsatz neue Funktionalitäten und Wertschöpfung und können helfen, kritische Materialien oder Prozessschritte in der Produktion zu ersetzen.

Projekt digaP Beschichtung Galvanisierung
© Fraunhofer ISC
Metallisierte Oberflächen veredeln viele Kunststoffprodukte wie hier einen Türgriff.

Im Automobilbau und in einer Vielzahl weiterer Branchen werden z. B. galvanisierte Kunststoffe gefertigt und eingesetzt. Die galvanisierten Oberflächen verleihen den preisgünstig und einfach herzustellenden Kunststoffkomponenten hochwertiges metallisches Aussehen und angenehme Haptik. Die Galvanotechnik benötigt allerdings sehr aufwändige Verfahren und Prozesse unter Einsatz von seltenen Metallen der Platingruppe sowie hochgiftigen und/oder gesundheitsschädlichen Substanzen (z. B. Säuren wie Flusssäure oder Chromschwefelsäure). Daher ist es ökonomisch und ökologisch notwendig, bestehende Galvanisierverfahren von Kunststoffteilen umweltverträglicher zu gestalten, den Prozess zu vereinfachen und auch den Anteil an seltenen Metallen im Prozess stark zu reduzieren.

 

Weniger ist mehr – der neue Galvanisierungsprozess spart nicht nur kritische Substanzen, sondern auch Prozessschritte.
© Fraunhofer ISC

 

Um Polymere, aber auch andere elektrisch nicht-leitende Materialien in einem Galvanikprozess mit einer Metallschicht zu veredeln, muss über eine »chemische Metallisierung« zunächst eine dünne, elektrisch leitfähige Beschichtung aufgebracht werden. Meistens werden dafür dünne Kupfer- oder Nickelschichten eingesetzt. Für den Prozess der chemischen Metallisierung ist ein Katalysator notwendig, an dem sich Kupfer oder Nickel abscheiden. Dieser Katalysator ist Palladium (Pd), ein Element der Platinedelmetallgruppe. In den heute üblichen Verfahren erhalten alle chemisch zu metallisierenden Materialien durch eine Tauchbeschichtung zunächst eine Palladiumschicht. Vor der Palladiumbeschichtung wird die Kunststoffoberfläche durch Ätzen mit Chromschwefelsäure »aufgeraut«. Dieser Schritt ist besonders kritisch, da hier noch immer sechswertiges Chrom zum Einsatz kommt.

Das Fraunhofer ISC arbeitet gemeinsam mit zwei namhaften Industriepartnern aus der Kunststoff- und Galvanik-Branche an einem umweltfreundlicheren und schnelleren Verfahren. Es macht den Einsatz von Palladium als leitfähige Metallisierung überflüssig, vermeidet umweltschädliche Chemikalien und reduziert die Anzahl der bisher nötigen Prozessschritte deutlich. Möglich wird dies durch speziell designte multifunktionelle Hybridpolymere. Sie bieten durch ihren Chemismus und eine spezielle Struktur eine gute Haftvermittlung zwischen Kunststoffoberfläche und galvanischer Metallschicht und stellen durch eine Dotierung die für den Galvanisierungsprozess notwendige Leitfähigkeit her. Sie werden unter Verwendung von kommerziell leicht und günstig erhältlichen Rohstoffen hergestellt und in einem einzigen, einfachen Lackierprozess aufgetragen. Die teils toxischen Chemikalien für Ätzschritte und Aktivierung wie auch das kritische Palladium werden dadurch vollständig ersetzt.

Im noch laufenden Verbundprojekt werden Material und Prozess optimiert, damit die Oberflächengüte des galvanisierten Produkts auch höchsten Ansprüchen genügt. Parallel wird die Materialsynthese für das leitfähige Hybridpolymer hochskaliert, um am Ende des Projekts bereits über Kapazitäten für die Bemusterung und Testung unter Pilotbedingungen zu verfügen. Mit der Materialinnovation des Fraunhofer ISC könnte das Galvanisieren durch den Verzicht auf kritische Prozesschemikalien wesentlich umweltfreundlicher und einfacher werden.

Für die beteiligten Industrieunternehmen ist neben den Umweltaspekten auch die Vereinfachung und Beschleunigung des Prozesses wirtschaftlich gesehen sehr attraktiv.

 

»OASIS« – EU-Projekt geht mit KMU-Democases in die nächste Runde

OASIS Faserarmierung von Beton

Die im Rahmen des EU-Projekts »OASIS« bisher auf- bzw. ausgebauten 12 Pilotlinien für innovative Smart Lightweight Composites – darunter auch die Nanopartikelproduktion am Fraunhofer ISC – haben sich bereits in den OASIS Showcase-Projekten bestens bewähren können. Das Fraunhofer ISC war am Showcase des Bau-Konzerns Acciona Construccion SA zur Entwicklung einer neuen CO2-sparenden Fertigungstechnik für armierte leichte Betonbauteile beteiligt. Dafür steuerte die ISC-Partikeltechnologie induktiv heizbare Nanopartikel bei, die zur gleichmäßigen Aushärtung der Harzmatrix von Glasfaserarmierungen (GFK) beim Strangpressen eingesetzt wurden.
Vorteil des neuen Verfahrens ist die schnelle induktive Erwärmung. Damit kann der ganze Querschnitt gleichmäßig und zuverlässig ausgehärtet werden. Fehler und unvollständig gehärtete Stellen werden vermieden. Mit den neuen Leichtbau-Armierungen können so Energie und Gewicht eingespart werden, ein Fortschritt für die Verminderung der CO2-Emissionen im Bereich Bau und Konstruktion. Mit den magnetischen Partikeln wurde über eine Induktionsspule das Harz im Produktionsprozess vorgewärmt und so in der Praxis eine um 100 % gesteigerte Produktionsgeschwindigkeit erreicht. Die endgültigen, mit GFK-Stäben bewehrten Betonbauteile haben gute Ergebnisse hinsichtlich der mechanischen Eigenschaften und des Brandverhaltens erzielt. Beständigkeitstests in einer realen Meeresumgebung werden derzeit durchgeführt und die Ergebnisse werden weitere interessante Informationen liefern.

OASIS Faserarmierung von Beton
© Fraunhofer ISC

Doch »OASIS« zielt eigentlich auf eine Verstetigung der Nutzung der Pilotlinien über die im Projekt durchgeführten Showcases hinaus und v. a. auf die Bereitstellung dieser Infrastruktur für kleine, mittelständische und große Unternehmen. Aus diesem Grund gab es bereits zwei offene Aufrufe an Unternehmen, sich mit Projektideen zu bewerben. Für die ISC-Pilotlinie kamen dabei sowohl im ersten als auch im zweiten Call interessante Projekte zustande. Mit einem namhaften polnischen Hersteller von Eisenbahnsitzen werden die halogenfreien flammhemmenden Partikel der ISC-Pilotlinie, in Kombination mit nanobasierten Produkten weiterer »OASIS«-Pilotlinien, für ein neues Produkt eingesetzt, das leicht, je nach Kundenanforderungen individualisierbar und umweltfreundlich ist. Für den Hersteller könnte die neue Entwicklung einen deutlichen Wettbewerbsvorteil auf dem Eisenbahnsektor bedeuten.

Schlüsseltechnologie für das Recyceln von Verbundmaterialien – vereinfachtes Bonding/Debonding mit induktiv heizbaren Partikeln

Im zweiten Call kommt ein Projekt eines ebenfalls namhaften deutschen Zulieferers zum Zug, der an einem Konzept für eine verbesserte Kreislaufführung von Verbundmaterialien in neuartigen Leichtbaustrukturen für den Mobilitätssektor arbeitet. Die induktiv heizbaren Partikel aus der ISC-Pilotlinie sollen hier das einfache Bonding/Debonding ermöglichen und Klebeverbindungen durch induktives Erwärmen lösen. In beiden Fällen leisten die partikulären Additive aus der erweiterten Co-Pilot-Anlage am Fraunhofer ISC mit ihrer qualitätsgesicherten Partikelherstellung im kg-Maßstab einen wesentlichen Beitrag für das Gelingen neuer, umweltfreundlicherer und ressourcenschonender Industrieprodukte, und das mit einem vergleichsweise geringen Materialeinsatz – weniger ist (oft) mehr.

Das »OASIS«-Konzept, einen open access single-entry point für Unternehmen, die eine zwar forschungsbasierte, aber auch pilotproduktionsfähige Infrastruktur für innovative Leichtbaumaterialien nutzen möchten, bewährt sich offenbar. So konnten in den beiden offenen »OASIS«-Calls bereits elf sogenannten Democases für neue Produktideen durchgeführt oder zumindest begonnen werden, mit Industriekunden aus unterschiedlichen Sektoren. Neben den Bau- und Mobilitätsbranchen sind z. B. auch die Medizintechnik oder Sportartikelhersteller unter den OASIS-Kunden. Deshalb wird derzeit an der Etablierung einer entsprechenden Einrichtung gearbeitet, die auch nach dem Ende des EU-Projekts »OASIS« die bisher entwickelten Dienstleistungen weiter anbietet – ein auch für die ISC-Pilotlinie erfreuliches Projektergebnis.      


Webseite »OASIS«



OASIS - Access smart, lightweight composite materials and components

© Projekt OASIS

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»ImAi« – neues Testverfahren soll weltweiten Standard-Tierversuch ersetzen

Projekt ImAi In-vitro-Testsysteme
© Fraunhofer ISC

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt »ImAi« soll einen tierversuchsfreien Ersatz für den weltweit bei der Bewertung des Augenreizungspotenzials von Chemikalien eingesetzten Draize-Test an Kaninchen schaffen. Der neue Test basiert auf im Labor kultivierten Gewebemodellen der Augenhornhaut in Verbindung mit Impedanzspektroskopie.

Jede chemische Substanz, die in Umlauf gebracht wird, muss verschiedene Tests durchlaufen, um das jeweilige Gefahrenpotenzial zu definieren und entsprechend zu deklarieren. Einer dieser verbindlichen Tests untersucht die potenzielle Gefahr für Augenreizungen und klassifiziert die Substanzen entsprechend in die Kategorien »1« für irreversible Schädigung, »2« für reversible Schädigungen oder »3« nicht kennzeichnungspflichtig wenn die Substanz nicht reizend ist. Seit 1944 wird für die Einteilung der Schädlichkeit von Substanzen auf das Auge weltweit ein belastender toxikologischer Test an lebenden Kaninchen durchgeführt, der sogenannte »Draize Augenreizungstest« (gemäß OECD Prüfrichtlinie TG 405), bei dem die Substanzen lebenden Kaninchen ins Auge getropft werden.

In-vitro-Modelle Auge Cornea
© pixabay

Um diese quälende Prozedur zu ersetzen, wurden bereits verschiedene Anläufe unternommen, Gewebemodelle der menschlichen Augenhornhaut (Cornea) im Reagenzglas (in vitro) zu kultivieren und als Testsysteme zu verwenden. Da bisherige Gewebemodelle jedoch die Unterscheidung zwischen irreversiblen und reversiblen Schädigungen nicht ermöglichen, ist bislang nur eine Reduzierung, nicht ein Ersatz der Tierversuche gelungen.
Das Translationszentrum für Regenerative Therapien TLZ des Fraunhofer ISC, das Bundesinstitut für Risikobewertung und die Goethe-Universität Frankfurt arbeiten im Projekt »ImAi« gemeinsam mit den Unternehmen Clariant Produkte GmbH und Courage Khazaka Elektronik GmbH an einem leistungsfähigen Testsystem. Das neue Verfahren soll den »Draize-Eye-Test« nicht nur vollständig ersetzen, sondern darüber hinaus auch zuverlässigere Vorhersagen erlauben, da dem Gewebemodell menschliche Zellen als Basis dienen.
Kernstück des Testsystems wird das modifizierte, langlebige Cornea-Modell des TLZ sein. Um die unterschiedlichen Kategorien der Augenschädigung unterscheiden zu können, wird darüber hinaus auch eine nicht-invasive Messmethodik entwickelt, die eine wiederholte Untersuchung der künstlichen Hornhaut ohne zusätzliche Störung erlaubt. Damit kann eine zuverlässige Vorhersage über eine potenzielle Schädigung des Auges ermöglicht werden.
Die ersten Meilensteine – Testaufbau, Adaption der Impedanzspektroskopie an die Cornea-Modelle, d. h. wie lassen sich welche Schädigungen und Wirkmechanismen an der Cornea durch Impedanzspektroskopie einfach messen, unterscheiden und bewerten – sind bereits gemeistert. Auch der Prototyp des handlichen und einfach zu bedienenden mobilen Spektrometers wird bereits für die Messung der Testsubstanzen genutzt. In den kommenden Monaten werden Gerätesoftware, Parametrierung des Testverfahrens, die standardisierte Testprozedur und die Messprotokolle optimiert, um möglichst umfassende Aussagen über die Wirkmechanismen der Testsubstanzen und eine zuverlässige und schnelle Vorhersage zum Reizpotenzial von Chemikalien zu ermöglichen. Anschließend wird eine Validierung des neuen Testverfahrens in einer Multilaborstudie durchgeführt.


3R-Prinzip schont Tierleben und Ressourcen

Mittelfristig erlauben die im Projekt erzielten Ergebnisse bei erfolgreicher Validierung die Umsetzung als eigenständige Methode in eine OECD Prüfrichtlinie. Dann könnte nach rund 80 Jahren endlich das Ende des »Draize-Eye-Tests« bevorstehen – dem nicht nur die Kaninchen keine Träne nachweinen werden. Denn das neue Verfahren schont nicht nur die Versuchstiere, sondern auch Personalressourcen und Zeit und verringert letztlich die Kosten für eine Prüfung. In Zukunft ist denkbar, dass das Messverfahren auf weitere In-vitro-Modelle (Haut, Blut-Hirn-Schranke) übertragen werden kann und als Plattformtechnologie dient. Bereits jetzt ist das Interesse aus der Industrie an dem Verfahren groß.

 

Webseite In-vitro-Modelle