Forschung für die Biomedizin von morgen – Eröffnung des neuen Biotechnologiestandorts in Würzburg
Am Montag, den 8. Mai 2023 eröffnen Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach und Wirtschaftsstaatssekretär Roland Weigert in Würzburg ein neues und zugleich altes Laborgebäude. Auf dem Campus Röntgenring der Würzburger Universität hat die Fraunhofer-Gesellschaft als Bauherr und neuer Betreiber das Gebäude der ehemaligen Universitäts-Augenklinik umfassend saniert – ein nachhaltiger Meilenstein für den Ausbau der Biotechnologie- und Biomedizinforschung in Würzburg.
Drei Jahre Bauzeit und zwei Jahre Planung vorab – für die anspruchsvolle Aufgabe eigentlich keine lange Zeit. Schließlich musste ein Klinikbau vom Anfang des 20ten Jahrhunderts nach rund 40 Jahren Leerstand in ein zukunftsweisendes Laborgebäude verwandelt werden. Möglich wurde die Rettung des denkmalgeschützten Klinikgebäudes mit einem neuen Nutzungskonzept des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC. Für den Ausbau seiner Biotechnologie-Sparte suchte das Würzburger Institut seit dem Jahr 2018 neue Räume. Auf rund 1000 Quadratmetern sollten modernste Biolabore für das Fraunhofer-Translationszentrum für Regenerative Therapien des Fraunhofer ISC und das Fraunhofer-Projektzentrums für Stammzellprozesstechnik, ein gemeinsames Zentrum vom Fraunhofer IBMT und dem Fraunhofer ISC, entstehen. Diese kann in den oberen drei Stockwerken der ehemaligen Universitäts-Augenklinik bereitgestellt werden, der im Jahr 1901 im Stil der Neorenaissance als damals eine der modernsten Augenkliniken realisiert wurde. »Statt den Raumbedarf durch einen Neubau auf der grünen Wiese zu decken, haben wir uns nicht zuletzt aus Gründen der Nachhaltigkeit für die Sanierung eines Bestandsgebäudes entschieden«, erläutert Institutsleiter Prof. Dr. Gerhard Sextl. »Wir freuen uns, dass wir dafür die Unterstützung des Freistaats Bayern, der Universität Würzburg und der Fraunhofer-Gesellschaft gewinnen konnten.« Eine Sanierung bereits vorhandenen Raumes ist ressourcenschonender und umweltfreundlicher, die Bausubstanz bleibt erhalten und die Lebensdauer wird verlängert – ohne dass Flächen neu versiegelt werden.
Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach erklärt: »Dank solcher Investitionen erreichen wir in Bayern beste Bedingungen für Zukunftstechnologien und ermöglichen damit Forschung und wirtschaftlichen Erfolg auf höchstem Niveau.«
Ein Gewinn auch für das Stadtbild, wie Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt bekräftigt, der darüber hinaus die Stärkung von Würzburg als Forschungsstandort durch den anwendungsorientierten Ausbau in der zukunftsträchtigen Sparte Biomedizin durch die Fraunhofer-Gesellschaft betont.
Mit neuen Methoden vorangehen
Das Translationszentrum für Regenerative Therapien des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC macht mit neuartigen Materialien und Verfahren u. a. neue Therapieformen verfügbar, die körpereigene Heilungsprozesse in Gang setzen und unterstützen. Know-how aus den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen wird im Translationszentrum zusammengeführt. »Naturwissenschaftler, Biotechnologen, Materialforscher und Mediziner arbeiten gemeinsam an der Umsetzung in die präklinische und klinische Anwendung. In dieser fächer- und institutions-übergreifenden anwendungsorientierten Arbeit liegt eine besondere Stärke dieses Würzburger Forschungsstandortes«, bekräftigt Roland Weigert, Staatssekretär im Bayerischen Wirtschaftsministerium. Damit werde exzellente Forschung schnell auch für die wirtschaftliche Umsetzung verfügbar. Das Translationszentrum kooperiert dabei mit Unternehmen aus Medizintechnik und Pharmaentwicklung wie auch mit anderen Forschungseinrichtungen.
Mit »WI3R« Tierversuche vermeiden
Thematische Schwerpunkte sind u. a. biofunktionalisierte partikel- oder faserbasierte Diagnostika und Therapeutika sowie In-vitro-Testsysteme. Bei diesen kann an menschlichen Gewebemodellen in Form von dreidimensional differenzierten Zellkulturen z. B. der oberen Atemwege, der Haut oder innerer Organe – »im Reagenzglas« die Wirksamkeit oder das Schädigungspotenzial von Wirkstoffen für Pharmazeutika und Kosmetika untersucht werden. Damit lassen sich Tierversuche reduzieren oder sogar ganz ersetzen und Wirkstoffe, z. B. bei aktuellen Infektionsgeschehen, schneller identifizieren. »Mit der Würzburg-Initiative 3R − Replace, Reduce, Refine wird ein Würzburger Forschungsnetzwerk geschaffen, das die Alternativen zum Tierversuch fest am lokalen Wissenschaftsstandort verankert und weltweit voranbringen will. Im Fokus steht dabei, komplementäre Modelle zu bisher gängigen Tierversuchen zu entwickeln, um die Anwendbarkeit in der biomedizinischen Grundlagenforschung und industriellen Entwicklung beispielsweise bei der Entwicklung neuer Krebstherapien zu ermöglichen«, so Dr. Florian Groeber-Becker, Leiter des Translationszentrums. Dabei spielen auch Digitalisierung und robotergestützte Prozesse bei der Herstellung und Testung eine wichtige Rolle, damit die Verfahren kostengünstig, einfach und schnell in einen Produktionsmaßstab übertragen werden können.
Neue Materialien und automatisierte Prozesse revolutionieren die Arzneimittelforschung
Das von den beiden Fraunhofer-Instituten für Silicatforschung ISC und für Biomedizinische Technik IBMT initiierte und gemeinsam betriebene Projektzentrum für Stammzellprozesstechnik in Würzburg schafft hier eine wichtige Ergänzung. Es soll die Lücke zwischen der Entwicklung und Herstellung individualisierter, stammzellbasierter Testsysteme für Wirkstoffe im Labor und dem technischen Einsatz in der Pharmaentwicklung schließen. Durch innovative Trägermaterialien und Technologien für die Zellkultur wird die Zellproduktion in größeren Mengen und in einer standardisierten Form erleichtert. Damit wird das Testen von Wirkstoffen bei der Entwicklung neuer Arzneimittel revolutioniert. »Das Projektzentrum für Stammzellprozesstechnik vereint eine einzigartige Kombination aus Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Materialinnovationen für Bioreaktoren, Tissue-Engineering-Gerüste und neuartige autonome Zellproduktion«, erklärt Geschäftsführerin Dr. Julia Neubauer, Fraunhofer IBMT. Im Projektzentrum wird mit sogenannten »induzierten pluripotenten Stammzellen« (iPS-Zellen) gearbeitet, die durch eine Art genetischer Umprogrammierung aus körpereigenen Zellen gewonnen werden können. iPS-Zellen haben das Potenzial, sich in nahezu jeden Zelltyp des menschlichen Körpers zu differenzieren und sind im Vergleich zu embryonalen Stammzellen ethisch unproblematisch. Diese Technologie ermöglicht die Herstellung von patienten- oder krankheitsspezifischen Zellmodellen.
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